Tuesday 10 March 2015

Festival-Special: Lesung und Gespräch mit Christoph Hein

Wie nach den zahlreichen Vorbestellungen zu erwarten war, herrschte am Freitagabend großer Andrang im Literaturhaus: Wir begrüßten den bekannten Schriftsteller Christoph Hein im Rahmen eines Festival-Specials. An den Lese- und Gesprächstisch lud der Publizist Hans-Peter Lühr, der die Veranstaltung moderierte.


Anhand ausgewählter Textpassagen nahm Christoph Hein ein gebanntes Publikum mit in die Lebens- und Arbeitswelt seines 59jährigen Protagonisten Rüdiger Stolzenburg, der sich als Akademiker mit halber Stelle am kulturwissenschaftlichen Institut über Wasser hält. Sein Forschungsprojekt stagniert und das Finanzamt sitzt ihm mit einer Steuerrückforderung im Nacken...
In der anschließenden Diskussion gab es vor allem Fragen und Anmerkungen zur Hochschulpolitik und der mitunter prekären Lage kulturwissenschaftlicher Institutionen, auch im Zuge der Exzellenz-initiativen. An dieser Schwerpunktsetzung wurde deutlich, wie unterschiedlich die Leser ihre Schwerpunkte bei der Rezeption eines literarischen Werkes setzen.


Aus aktuellem Anlass hatte Hans-Peter Lühr noch einen Hein-Text von 1991 im Gepäck. Unter dem Titel "Wir haben Angst zu verarmen" heißt es dort: "Nein, wir sind nicht ausländerfeindlich. Wir haben keine Angst vor eurer Hautfarbe oder Religion, und eure uns fremde Kultur achten wir und interessieren uns sehr für sie. Aber wir hassen die Armut." Der Wiedererkennungswert des Textinhaltes und die traurige Tatsache, dass sich in manchen Köpfen innerhalb von 14 Jahren nichts geändert zu haben scheint, machte die Zuhörer betroffen. Der Moderator führte Autor und Publikum auf angenehme Art durch einen kurzweiligen und zum Nach- und Weiterdenken anregenden Abend.

Monday 9 March 2015

Workshop "Licht in der Literatur"

Am Donnerstagabend war eine kleine, aber feine Gruppe Interessierter zusammen gekommen, um in die Geheimnisse des Lichtes einzutauchen und vor allem seiner Bedeutung in der Literatur nachzuspüren. 


Der Lichtkünstler und Gründer der Mobile School of Lighting Design Ruairí O'Brien gab eine pointierte Einführung, in der er von den Anfängen des Lichts über die Dualität von Tag / Nacht, warm / kalt, hell / dunkel zum "space between", der sogenannten Grauzone, kam. Auch die mit Licht unmittelbar verknüpften Topoi wie die Suche nach Wahrheit, das Innen und Außen sowie Himmel und Hölle fanden Erwähnung bei dieser kurzen Reise durch die Geschichte des Lichts vom ersten Feuer der grauen Vorzeit bis zu den mit LEDs überbeleuchteten Städten der Gegenwart.


Im zweiten Teil des Workshops wurde es praktisch: Anhand einer Szene aus Albert Camus' "Der Fremde" experimentierten die Teilnehmenden mit verschiedenen Hilfsmitteln und vor allem mit unterschiedlichsten Arten von Licht, wobei die Ergebnisse ebenso faszinierend wie furchteinflößend ausfielen. Eine moderne Inszenierung der schmerzhaften Begegnung des Protagonisten mit gleisendem Sonnenlicht fand ihre Uraufführung und wurde vom zufriedenen Workshopleiter filmisch festgehalten. Das die Teilnehmenden allesamt erleuchtet nach Hause gingen, versteht sich von selbst.

Thursday 5 March 2015

15 Jahre Erich Kästner Museum in Dresden

Am Mittwoch feierten wir mit unseren Gästen das 15jährige Bestehen des Erich Kästner micromuseums® mit Vortrag und Sektempfang sowie die Eröffnung der neuen Kabinettausstellung, welche den gleichen Titel wie das diesjährige Museumsfestival trägt: "Aufbruch. Neue Räume - Neue Wege".



Auch am Beginn der Geschichte des Erich Kästner Museums stand ein Aufbruch, neue Wege wurden beschritten: In seinem Jubiläumsvortrag blickte der Erfinder, Museumsarchitekt und Vereinsvorsitzende Ruairí O'Brien zurück auf die Anfänge, als das Museum noch in Form von zwei Modulen, dem "Das doppelten Lottchen", in der Stadt und an Schulen unterwegs war. In dieser Vorgeschichte, die er an Erich Kästners Vorworte/ Vorgärten anlehnte, erläuterte er seine grundsätz-lichen Überlegungen, die weit in Architektur, Ökonomie, Wissenschaft und Kulturgeschichte hineinreichten. Zwei dieser fundamentalen Fragen waren: "Wieviel Platz braucht ein Mensch?" und "Wie stellt man Literatur aus?". In einen Wettbewerb, der "Größe" und Wichtigkeit eines Schriftstellers analog zur Größe seines Museums setzt, wollte O'Brien nicht eintreten, vielmehr legte er Schwerpunkte auf Mobilität und ressourcensparendes Arbeiten und Gestalten. Das Museum stellt die Besucher vor die Herausforderung, den "Kästner-Schatz" selbst zu heben und mehrere Perspektivwechsel nachzuvoll-ziehen. In seinem 15. Jahr geht das Museum wieder neue Wege - mit dem Erich Kästner Viertel, einem "Museum ohne Wände"-Projekt, bewegt es sich hinaus in den Stadtraum. Mittelfristig ist ein Virtual Museum geplant, das als neues "Doppeltes Lottchen" den digitalen Zwilling zum Museum in der Villa Augustin bilden soll.


Ruairí O'Brien gedachte in seinen Ausführungen auch den Ideengebern und Unterstützern der ersten Stunde, von denen einige im Publikum anwesend waren. Für Kenner wie für Neulinge im Kästneruniversum war es ein höchst spannender und erkenntnisreicher Abend, der die Entstehungsgeschichte des Erich Kästner Museums in einer Art und Weise erzählte, wie sie so schnell wohl nicht wieder zu hören sein wird.

Anschließend gab es für alle Gäste noch die Gelegenheit, die neue Kabinettausstellung kennen zu lernen.

Wednesday 4 March 2015

"Verlorene Heimat - 1945/ 2015. Vertreibung und Flucht als Erfahrung und Erinnerung"

...unter diesem Titel stand der zweite Abend der Festivalwoche. Die Gäste und auch wir waren gespannt, wie es der Referent Dr. Justus H. Ulbricht wohl schaffen würde, den Bogen vom Kriegsende zur aktuellen Thematik der zunehmenden Flüchtlingsströme zu spannen und ob eine Antwort auf die Frage "Was ist Heimat?" gegeben würde.


An den Anfang seines Vortrages stellte der Historiker und Germanist zwei literarische Zeugnisse: Das „Marschlied 1945“ von Erich Kästner und Max Herrmann-Neißes Gedicht „Heimatlos“. Ausgehend von der These „Zukunft braucht Herkunft“ erklärte Ulbricht, dass der Begriff der Heimat als zentrales Element und Hilfsmittel zur Brückenbildung zwischen den Jahren 1945 und 2015 dient. Vom exklusiven Heimatverständnis vieler Sachsen, wobei die brüchige Historie des Freistaates oft verdrängt werde, baute er eine Brücke zur Gegenwart - denn ein großer Teil der heute in Sachsen Lebenden, hat persönliche Flüchtlingsgeschichten.


In der SBZ werden Flüchtlinge und Vertriebene ab 1946 offiziell als „Umsiedler“ bezeichnet - ein klarer Widerspruch zur misslungenen Integration. Im westlichen Deutschland entstehen Landsmannschaften als Plattform für kulturellen Austausch, deren politische Orientierung jedoch teilweise sehr fragwürdig ist. Für manche ist dabei Heimat die Welt der Kindheit, für andere eine Zukunft. Der Terminus Heimat sei sehr wohl in andere Sprachen übersetzbar, so der Referent - Herkunft als Standort und Sinnsuche. Die Aktualität dieser Funktion zeigt sich auch in seinen Asyldebatten, worin er historische Fakten in Bezug zu heutigen Verpflichtungen der Kommunen, beispielsweise der Aufnahme- und Betreuungspflicht von Asylsuchenden, setzt.
In der anschließenden lebhaften Diskussionsrunde berichtete das Publikum von persönlichen Geschichten. Ein Gast präsentierte sogar seinen 1946 ausgestellten „Umsiedlerpass".
Wir danken dem Publikum für die sehr rege Diskussion und dem Referenten Dr. Justus H. Ulbricht für seinen äußerst gelungenen und informativen Vortrag.